Seit Jahrhunderten nimmt der Mond einen zentralen Platz in der japanischen Kultur ein. Ob es sich um Vollmondfeste, die Feier der Tagundnachtgleiche oder die stille Betrachtung klarer Nächte handelt, das schwer fassbare Gestirn hat sich als eines der poetischsten Motive der japanischen Kunst etabliert. Die Meister der Druckgrafik nutzten sein teils diffuses, teils intensives Licht, um die tiefe Harmonie zwischen Mensch, Natur und vergehender Zeit zu enthüllen.
Der Mond und der Rhythmus der Jahreszeiten
In Japan wird der Mond oft mit dem Wechsel der Jahreszeiten und den damit einhergehenden Zeremonien in Verbindung gebracht. Die Ankunft der Tagundnachtgleiche - im Frühling Shunbun no hi oder im Herbst Shūbun no hi - markiert eine Zeit der Besinnung und Dankbarkeit.
Es ist auch die Zeit, in der die Natur, die sich ständig in Bewegung befindet, in neuen Farben erstrahlt.
Die japanischen Drucke nutzen dann die atmosphärische Schönheit dieser Wendepunkte aus: das Hell-Dunkel eines Frühlingshimmels oder das silberne Licht, das sich auf den roten Blättern des Herbstes spiegelt.
Zu den ältesten Bräuchen gehört das "Tsukimi", wörtlich übersetzt "den Mond betrachten".
Bei diesem Fest wird der Herbstvollmond beobachtet, um die Ernte und die flüchtige Schönheit der Jahreszeit zu feiern. In der Druckkunst wird dieses Ritual in nächtlichen Szenen dargestellt, in denen sich die Silhouetten von Reisenden, Ahornbäumen oder Tempeln vor einer vollkommen runden Mondscheibe abheben, die die Vergänglichkeit und die kosmische Harmonie symbolisiert.

Nächtliche Reflexionen in der Kunst der Druckgrafik
Die Faszination des Mondes hat viele Meister der Druckgrafik inspiriert.
Hokusai inszeniert in seiner Sammlung Sechsunddreißig Ansichten des Berges Fuji die imposante Silhouette des Vulkans im milchigen Licht eines Vollmondes. Sein Zeitgenosse Hiroshige hingegen bietet in mehreren seiner Serien, darunter Hundert Ansichten von Edo, eine subtile Atmosphäre: So schimmert beispielsweise das Mondlicht auf dem ruhigen Wasser und betont die Ruhe der Szene.

Ein anderer bemerkenswerter Künstler, Tsukioka Yoshitoshi, hat dem Nachtgestirn eine ganze Serie gewidmet: Hundert Aspekte des Mondes. In diesen Drucken beleuchtet der Mond historische und legendäre Persönlichkeiten und erinnert an die spirituelle Dimension, die der Mond in der japanischen Kultur einnimmt. Beispiele hierfür sind "Der Mond von Yoshiwara", in dem der Mondschein die Silhouette einer Kurtisane umgibt, oder "Der Vollmond des Kronendachs", in dem die Komplizenschaft zwischen Mensch und Natur gefeiert wird.

In diesen Werken wird der Mond abwechselnd zum Führer, Spiegel und Boten der vergehenden Zeit. Er geht über die bloße Kulisse hinaus und wird zu einer echten Figur, einem Zeugen vergänglicher Augenblicke und einem Hüter jahrhundertealter Traditionen. Die Betrachtung des Mondes in japanischen Drucken ist also eine Umarmung der Seele der japanischen Kultur: ein subtiles Gleichgewicht zwischen aufmerksamer Beobachtung, Verehrung der Natur und dem Streben nach ewiger Schönheit.



